VOLLMOND 4-2024

18 VOLLMOND 4/2024 REPORTAGE Wenn die Mondfrauen zum Kunsthandwerksmarkt laden, wird die Mondseer Seepromenade zum Boulevard der Kreativität. Bei Erwin werden alte Gabeln zum Schmuck für zarte Handgelenke F ür Erwin wurde ein kurzer Augenblick bei einem Urlaub in Griechenland vor vielen Jahren zu einem ein- schneidenden Lebensereig- nis. Erwin beobachtete einen Mann, der an einer kleinen Werkbank am Straßenrand Besteck aus alten Blechres- ten herstellte, die ihm die Menschen brachten. Mit ganz wenigen Handgriffen bog der Grieche aus diesen Abfällen Gabeln, Löffel und Messer. „Ich war so beeindruckt von den Fertigkeiten des Mannes, dass ich immer wieder an ihn denken musste“, erinnert sich Erwin. Und dann kam ihm ein Geistesblitz: Das könnte doch auch anders herum funktio- nieren. Seither biegt Erwin alte Be- steckteile zu Schmuckstücken. Aus Gabeln werden Arm- bänder oder Kettenanhänger. Löffeln verwandeln sich in Broschen, Krawattenspangen oder Geldscheinclips. Es gibt auch noch Ringe, Ansteckna- deln oder Serviettenringe. Freilich, auf Anhieb hat das Verwandeln des alten Bestecks in feinen Silber- schmuck nicht funktioniert. „Ich musste viel Lehrgeld bezahlen und es hat Monate gedauert, bis ich eine Gabel zum ersten Mal so zu einem Armband gebogen habe, dass ich damit auch zufrieden war“, erzählt Erwin. Aber das ist jetzt schon einige Jahre her und inzwischen hat Erwin wahrscheinlich die gleiche Fertigkeit entwickelt, wie sie der Mann am griechischen Straßenrand hatte. Gemeinsam mit seiner Frau verkauft Erwin seine Schmuckstücke auf Kunst- handwerksmärkten. So wie vergangene Woche auch in Mondsee. Und die Stücke werden gerne gekauft. Vor allem die Armbänder aus Ga- beln verzaubern die Frauen. Erwin stellt sie in drei ver- schiedenen Grundgrößen her und passt sie dann vor Ort individuell an das Handge- lenk der späteren Trägerin an. Da drängt sich natürlich die Frage auf, wie Erwin zu so vielen Silbergabeln und Löffeln kommt? „Wenn er einmal nicht in der Werkstatt ist, klappern wir gemeinsam Flohmärkte ab. Wir schau- en bei Haushaltsauflösungen und es gibt auch immer wie- der Leute, die uns ihr altes Silberbesteck überlassen“, verrät seine Frau. Beim Markt in Mond- see war Erwin einer von 70 Kunsthandwerkern. Und die Vielfalt hätte nicht größer sein können. Von Drechsel- arbeiten über Keramik, von kunstvollen Kugelschrei- bern und Füllfedern bis hin zu Taschen aller Art reichte die Palette. Das freut auch Renate Ennemoser von den Mondseer Mondfrauen, die den Markt seit vielen Jahren organisieren und der inzwi- schen Besucher aus Nah und Fern anzieht. „Die Leute wis- sen, dass bei uns wirklich nur echtes Kunsthandwerk an- geboten wird. Und das wird auch in Zukunft so sein“, sagt Ennemoser, die heuer mit 70 Kunsthandwerkern auch ei- nen neuen Rekord vermelden kann. So viele wie noch nie. „Damit ist aber auch der Pla- fond erreicht, mehr werden es nicht mehr werden“, zieht Ennemoser eine Grenze. Rupert Lenzenweger Große Auswahl an Silberschmuck aus alten Bestecken. Bilder: Rule Von der Fonduegabel über den Bieröffner bis zum Flaschen- stoppel. Ein Griff aus Geweih passt immer.

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